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Von Wahlkrämpfen

Oder: Was ich von der Kirchenwahl mitnehme

18:00 Uhr. Ich sitze im Zug von Stuttgart nach Tübingen. Zwei Diskussionsrunden mit FSJlern liegen hinter mir, eine mit Studenten kommt an diesem Tag noch. Ich fühle mich angespannt. Nicht aufgeregt, aber mit dem unterschwelligen Gefühl, kämpfen zu müssen. 

Ich merke an mir selbst, dass mich dieser Wahlkampf im Denken beeinflusst. In mir Schubladen einbaut als wäre ich ein MALM-Schrank, der ohne Schubladen gar keinen richtigen Halt hat. Plötzlich ertappe ich mich dabei, ganze Ortschaften Gesprächskreisen zuzuordnen. In „die“ und „wir“ zu formulieren. Wie destruktiv ist das denn? So wollte ich doch nie werden. Meine Schranktüren fühlen sich an wie abgeschlossen, weil ich taktisch vorgehen muss, denn ich fühle mich katalogisiert, einsortiert, mit Papiermaßband und Holzbleistift ausgemessen. In Pausen wie dieser Zugfahrt spüre ich die Wahlkrämpfe in Magen und Herz. 

Versteh’ mich nicht falsch. Ich schätze es sehr, wie demokratisch verfasst unsere Kirche im Blick auf die Synode ist. Und ich lieb’ meine Gurkentruppe von Kirche für morgen. All’ die Querdenker, Aufbrecher, Optimisten und Reformer. Die Sehnsucht nach Aufbruch. Die frischen Ideen. Dafür bin ich gerne in einen Wahlkampf getreten. Gleichzeitig schwirrt dieses Statement von Jesus in meinem Kopf herum: „An der Liebe untereinander werden sie erkennen, dass ihr zu mir gehört“. Mh. Liebevoller hat mich diese ganze Wahlsache sicher nicht gemacht. An einigen Stellen war ich unfair und polemisch. Wie bekomme ich das zusammen? Klar für etwas zu einstehen und das andere trotzdem voller Liebe auszustehen? Politisch positioniert zu sein und trotzdem nicht in Schubladen zu denken? Vermutlich gar nicht aus eigener Kraft. Vermutlich braucht es da den, der um mein eigenes Herz Wahlkampf macht.

Der Zug ist angekommen.
Tübingen Hauptbahnhof.
Die Wahlkampfphase vorbei. 

Was bleibt von dieser Zeit? Zwölf Plätze für Kirche für morgen. Für mich kein Platz, dafür drei Punkte, die ich mitnehme.

  1. Ich will häufiger Position beziehen. Ich bin eher Diplomat als Wahlkämpfer. Manchmal bin ich aber nur unparteiisch, weil mir Dinge gleichgültig sind oder ich nirgends anecken möchte. Das ist feige und bringt uns als Kirche nicht weiter. 
  2. Ich will liebevoller mit anderen Positionen umgehen. Ich lieb’ es eigentlich an meiner Kirche, dass hier unterschiedlichste Menschen zusammenkommen. Wenn Meinungen aber weit auseinander fallen ist das nicht so einfach. Positionen erst einmal ohne Urteil stehen lassen zu können ist ein Skill, den ich einüben will.
  3. Ich will weiter für Einheit und Aufbruch beten. In den Monaten vor der Wahl haben wir immer Mittwochs für unsere Kirche gebetet. Das will ich beibehalten, weil es meine Einstellung zur Landeskirche zum Positiven verändert. Und weil ich glaube, dass wir Gottes Hilfe brauchen.