Kirche. Corona. Tools.

Das viele Zuhause-Rumsitzen hat auch durchaus positive Seiten. Mein Mailpostfach wird endlich leer. Die Steuererklärung so früh fertig wie nie. Die Frühlingsmode kann man gleich im kommenden Jahr nochmal recyceln. Aber der Pausenmodus unserer Gesellschaft ist auch ideal, um neue Tools auszuprobieren, neue Skills zu erwerben oder einfach nur mal ein bisschen virtuell nach neuen Werkzeugen zu stöbern – vieles gibt es aktuell günstiger oder kostenlos. Hier einige handverlesene Tool-Tipps für Menschen, die während Corona in der Kirche arbeiten in verschiedenen Kategorien.

Wird laufend erweitert


Theologie & Glauben


Video & Streaming


Musik & Songwriting


Print & Design


Social Media


Für fortgeschrittene Nerds

Cantico – Kommentar zur Gesangbuch-App

Gestern hat die Evangelische Landeskirche im Württemberg die lang erwartete Gesangbuch-App Cantico für iOS (Android soll folgen) herausgebracht, welche Noten, Texte und Aufnahmen von den 33 wichtigsten Liedern (sog. Kernliedern) des Gesangbuchs enthalten.

Kommentar zur App

Grundsätzlich finde ich diese Idee sehr begrüßenswert, denn dank SongSelect und Plattformen wie Ultimate Guitar ist es in vielen Kirchen mit modernerem Liedgut längst üblich, zumindest Akkorde und Liedtexte auf dem iPad mit sich herumzutragen. Selbst die Zeugen Jehowas bieten entsprechende Funktionen schon lange in ihrer App.

Uns war es wichtig […], schnell mit einem Minimum Viable Product (MVP) am Markt sind, von der Nutzererfahrung profitieren und unser Produkt agil und nutzerzentriert weiterentwickeln können. Dazu gehören alternative Oberflächendesigns […].

Johannes Quirin, Geschäftsführer des Stuttgarter Startups Kohelet 3 GmbH & Co.
Liedliste, Beschreibung und Downloadfunktion sind auf gleicher Bedienebene

Für mich bedeutet dieses Pressestatement im Klartext: „Wir haben bisher das User-Interface-Design völlig ignoriert und warten nun darauf, dass sich Menschen dazu kritisch äußern“. Das möchte ich hiermit tun.

Nicht nur der falsche „im Mac-App-Store- laden“-Button auf der Website [Update vom 16.05. Button wurde ausgetauscht], sondern auch die vom Web inspirierte Akkordeon-Menüführung deuten für mich auf eine nicht ausreichende Beschäftigung mit gängigen Interface-Konzepten auf Smartphones hin. Hier braucht es eine bessere Navigation, Beschriftung der Abspielbuttons, bessere Icons (warum versteckt sich der Liedtext hinter einem „i“?) und mehr Weißraum um die Texte und Noten.

Einige erste Bugs wie der links dargestellte sollten schnell behoben sein. Das Liederbuch für den Kirchentag allerdings für 60% mehr zu verkaufen als die gedruckte Variante halte ich auch für durchaus schwierig zu rechtfertigen.

Was mir an Cantico allerdings sehr gut gefällt ist, dass die Notendarstellung sauber auf der Bildschirmgröße skaliert und damit nicht einfach ein PDF-Viewer für Notenblätter ist.

Ich bin gespannt, wie sich die App weiter entwickeln wird und hoffe auf eine baldige Verstärkung des Entwicklerteams um eine DesignerIn. Denn bei einer Smartphone-App ist das Design das Produkt.

App-Tipps rund um das Thema Musik & Kirche

Ergänzend dazu noch einige App-Tipps unter der Hand für Musiker im kirchlichen Kontext.

Onsong

App mit SongSelect-Integration mit allem, was das Band-Herz begehrt: Integration von quasi allen existierenden Datenquellen, Sync für’s gemeinsame Musizieren, Beamerausgabe, Hardware-Unterstützung für Pedale und Arrangement von Sammlungen. Mehr Infos.

Ultimate Guitar

Leichter Zugriff auf die sehr große Liedbibliothek mit Akkorden und Tabs direkt vom iPad aus. Mehr Infos.

Songbook+

Verwaltung von Songs in verschiedenen Formaten, Automatische Einstellung von MIDI-Geräten, Hardware-Unterstützung für Pedale, Musik-Log Abrechnung für die Gema, etc… Mehr Infos.

4 günstige Tools, um Flyer zu designen

Immer wieder werde ich von Haupt- und Ehrenamtlichen im Kirchen-Kontext gefragt, wie man denn Pixel eigenmächtig auf ein Printprodukt schubst. Falls du einmal keinen Designer deines Vertrauens mit Adobe InDesign greifbar haben solltest, hier meine Top 4 der günstigen Software-Tools, die dich beim Designen unterstützen.

#1 Affinity Publisher

Brandneu und aktuell noch in Beta-Version ist mein aktueller Favorit. Affinity Publisher ist ein vollwertiger InDesign-Konkurrent, mit dem ihr jedes Projekt umgesetzt bekommt. Wenn die Software fertiggestellt ist, wird sie einmalig etwa 50€ pro Nutzer kosten. Das ist ein echtes Schnäppchen. Außerdem unterstützen euch Tutorials bei den ersten Schritten mit dem Programm.

ProContra
– Allrounder zum Sparpreis
– Sehr flüssige Darstellung
– Viele Tutorials verfügbar
– Für macOS und Windows
– Vorabversion aktuell noch mit Fehlern
– Braucht einiges an Einarbeitungszeit

#2 Microsoft Publisher

Microsoft Office bekommt man als NGO mittlerweile ja quasi für n‘ Appel und n‘ Ei. Was weniger bekannt ist: Mit Microsoft Publisher bekommt ihr direkt ein relativ anständiges Programm zum Entwurf von Printprodukten zusätzlich zu PowerPoint, Word & Co dazu.

ProContra
– Teil des Office-Paketes, das jeder hat
– Einfach zu lernen, da gewohnte Bedienung
– Nur für Windows
– Wenig Funktionen

#3 Pages

Eine sehr einfache kostenlose Möglichkeit für Mac-Nutzer ist die mitgelieferte Textverarbeitung Pages. Diese bietet im Vergleich zu Word ein deutlich einfacheres Handling wenn man Seiten hat, die nicht nur aus Fließtext bestehen.

ProContra
– Kostenlose Software
– Sehr einfache Bedienung
– Auch auf iPhone und iPad nutzbar
– Wenig Profitools
– Farben können abweichen im Druck
– Nicht für Windows

#4 Canva

Canva ist ein Webservice, der einen auf der Basis von Vorlagen Flyer konfigurieren lässt. Für gewisse Anwendungsfälle ein super einfach zu handhabendes Tool, allerdings lassen sich nur in der Pro-Version auch eigene Markenelemente konsequent durchziehen.

ProContra
– Sehr einfache Bedienung
– Grundversion kostenlos
– Fertige Vorlagen
– Wenig Freiheit bei der Gestaltung
– Proversion kostet monatlich $10
– Schwierig für einheitliche Designs

Kirche als Startup-Inkubator

oder: Der Traum von Raum für neue Ideen

„Focusing on one thing and doing it really, really well can get you very far.“

– Kevin Systrom, Instagram

Die Wetteraussichten für die Kirchen in Deutschland stehen auf Rekordtief. Immer weniger Menschen interessieren sich noch für das wöchentliche Retro-Kultur-Spektakel mit wahlweise Weihrauch- oder Schimmelgemäuer-Beigeschmack. Man könnte – analog zur Politik – von einer echten Kirchenverdrossenheit sprechen. Für die Prognose braucht es keine Propheten: Wir brauchen neue, innovative Ideen. Und mit innovativ meine ich nicht ein bisschen mehr EDM-Musik im Gottesdienst anstelle von alten Chorälen, ein bisschen stylishere Gemeindebriefe anstelle von getackerten A4-Schwarzweißkopien und ein bisschen besseren Kaffee anstelle des günstigsten Lidl-Filterkaffees im 5-Liter-Pumpspender. Nein, es braucht radikal innovative Ideen. 

Auch in der Wirtschaftswelt haben die großen, altehrwürdigen deutschen Tanker wie Bosch, Daimler und die Deutsche Bahn Probleme. Große Läden haben eben oft eine Innovations-hemmende Umgebung. Zu schwerfällig ist das Konstrukt aus Regeln, komplexen Prozessen und vielen Managementschichten. Kleine, schlanke, für ein bestimmtes Ziel gegründete Startups bieten oft besseren Nährboden für neue Ideen und kreative Lösungsansätze. 

Was die Großkonzerne aber von uns als Kirche unterscheidet: Sie sind sich dessen bewusst. Mit sogenannten Inkubatoren stellen sie gezielt Mittel und Rahmen für die Entstehung von neuen Mini-Betrieben bereit und investieren damit in radikalen Wildwuchs. Im Bosch grow-Programm beispielsweise entsteht eine Firma um einen Roboter, der bei der Pflege von Spargel unterstützt, im Daimler Lab1886 die ÖPNV-App moovel, beim Deutsche-Bahn-Inkubator mindbox eine Software, die Passwörter auf dem Handy speichert. Statt sich nur auf die Kernkompetenz zu konzentrieren, wird ein Raum geschaffen, in dem Dinge ausprobiert werden können. Unkonventionelle Dinge. Dinge, die vielleicht gar nicht zur aktuellen Ausrichtung des Unternehmens passen. Dinge, die vielleicht sogar kompletter Bullshit sind und kein bisschen Geld abwerfen werden. Aber es gibt eben nur einen Ort, an dem große Ideen geboren werden: Beim Ausprobieren.

Ich wünsche mir eine Kirche, die auch bereit ist, diesen waghalsigen Schritt zu gehen. Geld, Personal und Raum für komplett neuartige Ideen zu bieten. Jenseits der Agende. Jenseits der bisherigen Strukturen.

In der vergangenen Woche war ich auf Studienreise in Großbritannien und durfte mit ansehen, wie dort die Anglikanische Kirche die diesen Kurs bereits verfolgt. Es wurden großflächige Förderprogramme gestartet, eine Pionier-Ausbildung für Gründer geschaffen und konsequent neue Zielgruppen in Betracht gezogen. Und plötzlich finden sich wieder kreative Pioniere in der Kirche, die Bock darauf haben, neues auszuprobieren: Eine Kirche im Hipster-Café. Eine Kirche, die Obdachlose und Missbrauchsopfer zum gemeinsamen Brotbacken versammelt. Eine Kirche, die sich als Food Market für zugezogene Migranten versteht. Eine Kirche, die Heimat und Austausch für an Demenz Erkrankte und deren Angehörige bietet. 

Viele Ideen von Startups scheitern gnadenlos. In der Wirtschaft genauso wie auch in der Anglikanischen Kirche.

Aber einige fallen auf guten Boden. Und für diese wenigen lohnt sich die Investition. Denn die verrückten, innovativen und kreativen Ansätze von heute entscheiden über die Alltagsrealität von morgen.